Eine Ausbildung antreten, ohne ein persönliches Anschreiben zu schicken und ohne zu einem Bewerbungsgespräch zu erscheinen, das klingt vermutlich für viele Jobsuchende nach einem Wunschtraum. Tatsächlich ist diese Phantasie bereits Realität: So bietet der Caritasverband Düsseldorf auf einem farbenprächtigen Flyer mit den Worten „Bei Anruf Ausbildung“ Ausbildungsplätze ohne das übliche Bewerbungsprozedere an.

Fachkräfte dringend gesucht: Bitte bewerben!

So mancher Arbeitgeber mag sich fragen, was den Caritasverband Düsseldorf dazu bewogen hat, alle Anrufer mit offenen Armen als Auszubildende zu empfangen. Die Gründe lassen sich nachvollziehen. Die Pflegeinstitutionen haben mit einem Fachkräftemangel zu kämpfen und suchen daher dringend nach Interessenten, die den Pflegeberuf erlernen möchten. Da die Pflege bekanntlich mit großen Herausforderungen verbunden ist, müssen die Arbeitgeber auf ein starkes Personalmarketing setzen und intensiv um ihre zukünftigen Mitarbeiter werben.

Wer in Branchen, in denen gute Fachkräfte rar sind, die Anforderungen in den Stellenanzeigen und die Hürden im Bewerbungsprozess zu hoch legt, muss befürchten, gar keine Mitarbeiter zu bekommen. In vielen Bereichen ist mittlerweile ein reger Wettbewerb unter den Arbeitgebern entbrannt, wenn es darum geht, Jobsuchende als Arbeitskräfte zu gewinnen.

Anrufen und sofort einen Ausbildungsplatz erhalten

Diese Gründe haben offenbar den Caritasverband Düsseldorf dazu veranlasst, unkonventionell zu denken und das Bewerbungsverfahren entscheidend zu vereinfachen. Mit dem Appell „Rufen Sie uns einfach an!“ und dem Versprechen „Bei Anruf Ausbildung in der Altenpflege“ wirbt diese Pflegeinstitution Lehrstellensuchende für ihr Unternehmen an.

Wenn man sich diese Stellenanzeige genauer ansieht, erkennt man, dass die Voraussetzungen, eine fixe Zusage für einen Ausbildungsplatz zu bekommen, nicht allzu hoch sind. Damit ist das Recruitingverfahren für den Bewerber und den Arbeitgeber schnell erledigt, da:

  • kein umfangreiches Bewerbungsschreiben nötig ist, das der Bewerber schreiben und der Arbeitgeber lesen sollte
  • keine unangenehmen Auswahlgespräche stattfinden, die beide Seiten nur Zeit und Nerven kosten würden
  • nur ein Anruf genügt, den der Bewerber tätigen und der Arbeitgeber annehmen muss
  • der Arbeitgeber keine Einladungen zum Bewerbungsgespräch aussprechen und keine Absagen erteilen muss
  • die Durchsicht der Bewerbungsunterlagen für den Arbeitgeber entfällt
  • der Arbeitgeber die Qualifikationen der Bewerber nicht vergleichen muss

Außerdem bleibt es dem Arbeitgeber erspart, eine Auswahl zu treffen und sich für einen oder mehrere Bewerber zu entscheiden. Schließlich besteht ja das Versprechen, alle Interessenten aufzunehmen, die unter der Bewerbungshotline anrufen und einen Ausbildungsplatz haben möchten. Zeitliche Beschränkungen entfallen hier ebenfalls, zumal die Telefone rund um die Uhr besetzt sind.

Macht das Bewerbungsschreiben keinen Sinn mehr?

Den Sinn des Bewerbungsschreibens haben auch andere Unternehmen und Personaler schon des Öfteren hinterfragt. Das hängt damit zusammen, dass diese Anschreiben meist standardisiert verfasst sind und sich daher kaum voneinander unterscheiden. Sie sagen wenig darüber aus, ob der Bewerber für die Stelle tatsächlich geeignet ist. Gerade in Bereichen, in denen es um handwerkliche Fähigkeiten oder naturwissenschaftliche Qualifikationen geht, sind die verfassten Zeilen kein Gradmesser für das tatsächliche Können der Jobinteressenten. Einem Lebenslauf und einem Auswahlgespräch kommt hingegen mehr Gewicht zu.

Was passiert, wenn auch der Lebenslauf und die Auswahlgespräche wegfallen?

Welche Folgen hat es aber, wenn – wie im vorliegenden Fall – auch der Lebenslauf und die Auswahlgespräche als Entscheidungsgrundlage wegfallen? Was weiß der Arbeitgeber dann über seine zukünftigen Mitarbeiter? Im Prinzip stellt er Menschen ein, die er noch nie gesehen hat und nur von einem kurzen Telefongespräch kennt. Diese Vorgehensweise birgt die Gefahr in sich, dass Auszubildende eingestellt werden, die für dieses Berufsbild gar nicht geeignet sind oder mit falschen Erwartungen ihren Job antreten. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass diese Azubis ihre Ausbildung vorzeitig abbrechen und der Arbeitgeber wieder neue Bewerber suchen muss. Es besteht aber auch die Chance auf neue Mitarbeiter, die man vielleicht bei genauerer Prüfung nie eingestellt hätte, die sich jedoch als Glücksgriff erweisen.

Quelle: Caritas Erzbistum Köln