Hat ein Arbeitnehmer mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Pflichtverletzung begangen, reicht dieser Umstand für eine Verdachtskündigung nicht immer aus. Der Arbeitgeber muss vor der Kündigung alle zumutbaren Maßnahmen umsetzen, um den Verdachtsfall aufzuklären. Dies hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden.

Der Fall: Seniorenheim möchte die Zustimmung zu einer Verdachtskündigung erwirken

Die Klägerin, die Betreiberin eines Seniorenheimes, wollte gegenüber einer Betriebsrätin eine fristlose Verdachtskündigung aussprechen. Laut ihrem Verdacht soll diese Mitarbeiterin einer Arbeitskollegin eine Trauerkarte mit den handschriftlichen Worten „Für Dich (bist die nächste)“ geschrieben haben. Hierfür gab es keine Beweise. Die Klägerin beauftragte einen Schriftgutachter, der zu dem Ergebnis kam, dass die Betriebsrätin diese Notiz mit hoher Wahrscheinlichkeit verfasst habe. Damit sah sich die Arbeitgeberin in ihrem Tatverdacht bestätigt und verzichtete darauf, die verdächtigte Mitarbeiterin zu vernehmen. Da der Betriebsrat seine Zustimmung zur Verdachtskündigung nicht erteilte, brachte die Klägerin beim Arbeitsgericht Bochum einen Zustimmungsersetzungsantrag ein.

Das Urteil: Hohe Wahrscheinlichkeit der Täterschaft ist nicht ausreichend

Weder das Arbeitsgericht Bochum noch das zweitinstanzliche Landesarbeitsgericht Hamm erteilten ihre Zustimmung zur Verdachtskündigung. Laut Ansicht des LAG Hamm ist eine Verdachtskündigung nur dann rechtmäßig, wenn dem Anlassfall ein dringender Tatverdacht zugrunde liegt (Urteil des LAG Hamm vom 30. August 2016, Az. 7 TaBV 45/16).

Das Schriftgutachten gehe davon aus, dass die Betriebsrätin mit hoher Wahrscheinlichkeit den Vermerk geschrieben hat. Dies reiche jedoch nicht aus, um den Tatverdacht hinreichend zu begründen und eine Verdachtskündigung auszusprechen. Es gebe nämlich keinen Anhaltspunkt, dass die Mitarbeiterin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Trauerkarte ausgestellt habe. Die Arbeitgeberin sei zudem dazu verpflichtet, alle Maßnahmen zu ergreifen, die den Fall aufklären könnten. Dazu gehöre es auch, die verdächtigte Mitarbeiterin zu den Vorfällen zu befragen. Dies habe die Klägerin jedoch verabsäumt. Außerdem hätte sie die Schriftproben aller Mitarbeiter in das Gutachten einbeziehen müssen.