Haben Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Verzugspauschale, wenn sie ihre Lohnzahlung unvollständig oder unpünktlich erhalten? Bei der Beantwortung dieser Frage sind sich die deutschen Gerichte derzeit uneinig. So hat beispielsweise das Landesarbeitsgericht Sachsen im Juli 2019 einem Arbeitnehmer die monatliche Verzugspauschale von 40 Euro für unterbliebene Lohnzahlungen zugesprochen. Diese Entscheidung widerspricht jedoch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, das sich zuletzt im September und Dezember 2018 gegen eine Anwendung der 40-Euro-Verzugspauschale im Arbeitsrecht ausgesprochen hatte.
Verzugspauschale nach § 288 Absatz 5 BGB
Seit dem Jahr 2014 sieht der deutsche Gesetzgeber in § 288 Absatz 5 BGB eine Verzugspauschale von 40 Euro vor, wenn ein Schuldner, der nicht Verbraucher ist, mit einer Entgeltzahlung in Verzug gerät. Demnach sollen Verbraucher zusätzlich zum eigentlichen Verzugsschaden einen Pauschalbetrag erhalten, der sie für die Betreibungskosten entschädigt. Auf Grundlage dieser Bestimmung müssen säumige Schuldner sowohl Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozent (Absatz 1) als auch eine Verzugspauschale zahlen.
Die Verzugspauschale macht es für den Gläubiger leichter, einen Verzugsschaden geltend zu machen. Seit dem Inkrafttreten der Regelung haben Arbeitnehmer diese 40-Euro-Pauschale verstärkt in arbeitsgerichtlichen Verfahren eingefordert. Ob diese Verzugspauschale im Arbeitsverhältnis allerdings tatsächlich anzuwenden ist, war von Beginn an umstritten.
BAG: 40-Euro-Pauschale gilt im Arbeitsrecht nicht
Gegen die Anwendung spricht insbesondere § 12a ArbGG, der für das Arbeitsrecht im Verfahren erster Instanz einen Anspruch auf Erstattung der Rechtsverfolgungskosten ausschließt. Demnach kann der Prozesssieger erstinstanzlich keine Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Ersatz der Kosten für einen Bevollmächtigten oder Rechtsbeistand geltend machen. Das Bundesarbeitsgericht lehnt mit Berufung auf diese Regelung des § 12a ArbGG einen Anspruch auf die 40-Euro-Pauschale im Arbeitsrecht ab (Urteil des BAG vom 25. September 2018, Az. 8 AZR 26/18).
LAG-Rechtsprechung: 40-Euro-Pauschale im Arbeitsverhältnis anwendbar
Einige Landesarbeitsgerichte (zum Beispiel die LAG Baden-Württemberg, Berlin-Brandenburg, Köln und Niedersachsen) sprachen sich für die Anwendung der 40-Euro-Pauschale im Arbeitsverhältnis aus. Die Pauschale erweitere die Bestimmungen zum Verzugszins, der auch bei Arbeitsentgeltansprüchen zu entrichten sei.
Diese Rechtsansicht vertrat auch das LAG Sachsen, das die 40-Euro-Pauschale nicht als Entschädigung wegen Zeitversäumnis im Sinne des § 12a ArbGG wertete (Urteil des LAG Sachsen vom 17. Juli 2019, Az. 2 Sa 364/18). Außerdem gehe § 288 Absatz 5 BGB als die zeitlich jüngere Regelung vor. Der Zweck dieser Regelung bestehe darin, Arbeitgeber, die die Lohnzahlungen unpünktlich oder unvollständig leisten, unter Druck zu setzen und deren Zahlungsmoral zu verbessern.
Erhebliche Zusatzkosten bei Verzug für Arbeitgeber
Ist die Verzugspauschale, die zwischen Verbrauchern und Unternehmen gilt, auch auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden, hat das für den Arbeitgeber finanzielle Konsequenzen. Demnach sprachen bereits einige Gerichte den Arbeitnehmern die 40-Euro-Verzugspauschale zu. Ob das Bundesarbeitsgericht seine bisherige Rechtsprechung ändert und sich der Ansicht dieser Landesarbeitsgerichte anschließt, ist offen.
Nach der aktuellen Rechtsansicht des BAG müssen Arbeitgeber keine Pauschale zahlen, wenn sie mit den Lohnzahlungen in Verzug geraten. Sollte sich diese Situation ändern, müssten Unternehmen künftig erhebliche, zusätzliche Verzugskosten einplanen. Momentan ist es für die Parteien sinnvoll, im Falle eines Rechtsstreits die Rechtsansicht des jeweiligen Arbeitsgerichts zu berücksichtigen. Die Entscheidung, den Instanzenzug wegen der 40-Euro-Verzugspauschale bis zum BAG auszuschöpfen, wird sich regelmäßig nicht rechnen.
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