Wie sieht es mit dem Verfall von Urlaubstagen aus, die über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehen? Der EuGH hatte jüngst über die Frage zu entscheiden, ob es zulässig sei, dass ein vertraglicher Mehrurlaub verfalle, wenn ihn ein Arbeitnehmer aufgrund einer Erkrankung nicht aufbrauchen könne. Eine solche Verfallsregelung widerspricht nicht dem EU-Recht, solange der gesetzlich geregelte Mindesturlaub nicht beschränkt wird. Dies ergibt sich aus einem EuGH-Urteil, dessen Anlass zwei Rechtsfälle in Finnland waren (Urteil des EuGH vom 19.12.2019, Az. C-609/17 und C-610/17).

EuGH-Rechtsprechung zum Urlaubsverfall

Nach EuGH-Rechtsprechung schützt die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung nur den gesetzlichen Mindesturlaub. Sie lässt innerstaatliche Regelungen zu, die einen darüber hinausgehenden Urlaubsanspruch vorsehen und die Bedingungen zu dessen Gewährung festlegen. Laut ständiger EuGH-Rechtsprechung beinhaltet die Richtlinie nur einen Mindestrahmen für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung, sodass die Mitgliedsstaaten für die Arbeitnehmer günstigere nationale Regelungen treffen können. Sehen diese innerstaatlichen Vorschriften einen Urlaubsanspruch vor, der über den in der Richtlinie 2003/88 geregelten Mindestumfang von vier Wochen hinausgeht, fällt dies nicht in den Regelungsbereich des EU-Rechts.

In diesem Fall ist die Frage, ob ein Mitarbeiter einen über den vierwöchigen Mindesturlaub hinausgehenden Anspruch erwirbt, nach dem nationalen Recht zu beantworten. Demnach legen die Mitgliedstaaten die Rahmenbedingungen, unter denen sie weitere Urlaubstage gewähren oder erlöschen lassen, selbst fest. Unter der Voraussetzung, dass die Mindesturlaubsdauer nicht beeinträchtigt wird, kann jeder EU-Staat über die Gewährung und Übertragung von Urlaub eigenständig entscheiden. Urlaubsansprüche, die den Mindesturlaub übertreffen, sind durch die Richtlinie 2003/88 nicht geschützt.

Gesetzlicher Mindesturlaubsanspruch vs. vertraglicher Mehrurlaub

Das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) normiert einen Mindesturlaubsanspruch von 24 Tagen (bezogen auf eine Arbeitswoche von sechs Tagen). Dieser Mindesturlaub nach § 3 Absatz 1 BUrlG steht jedem Voll- und Teilzeitmitarbeiter sowie jedem Minijobber zu, wobei er nach den Arbeitstagen pro Woche zu berechnen ist. Arbeitnehmer, die vier Tage pro Woche arbeiten, haben einen gesetzlichen Mindesturlaubsanspruch von 16 Tagen.

Die Vertragsparteien können im Arbeits- oder Tarifvertrag weitergehende Urlaubsansprüche vereinbaren. Demnach ist beispielsweise ein Jahresurlaubsanspruch von 28 bis 30 Tagen möglich. Über vertraglichen Mehrurlaub, der den Mindesturlaub übersteigt, können Unternehmen eigenständige Regelungen treffen.

Verfallsregelungen zum vertraglichen Mehrurlaub

Aus Unternehmenssicht ist es sinnvoll, den Umgang mit diesem Mehrurlaub festzuschreiben und insbesondere dessen Verfall und Abgeltung zu regeln. Solche Regelungen können beispielsweise vorsehen, dass der vertragliche Mehrurlaub verfällt, wenn ihn der Arbeitnehmer aufgrund einer längeren Erkrankung nicht nehmen kann. Das ist aus Sicht des EU-Rechts zulässig. Für den gesetzlichen Mindesturlaub ist hingegen eine 15-Monats-Frist vorgesehen, falls der Mitarbeiter die Urlaubstage wegen längerer Krankheit nicht aufbrauchen kann. Bis zum Ablauf dieser Frist bleiben die Urlaubsansprüche bestehen.

Eine weitere Regelung zum vertraglichen Mehrurlaub kann vorsehen, dass der Arbeitnehmer denselben für jeden Monat anteilig erwirbt. Damit entsteht der vollständige Urlaubsanspruch nicht zur zweiten Jahreshälfte, wie es § 5 Absatz 1 BUrlG regelt.

Zudem können Unternehmen per Regelung ausschließen, den vertraglichen Mehrurlaub nach Ende des Arbeitsverhältnisses abzugelten. Das bewahrt sie vor hohen Urlaubsabgeltungszahlungen an ausscheidende Mitarbeiter.