Erlöschen die Urlaubsansprüche einer langzeiterkrankten Mitarbeiterin nach Ablauf der 15-Monatsfrist, wenn die Arbeitgeberin auf den drohenden Verfall nicht hingewiesen hat? Diese Frage soll nun der EuGH beantworten.

Der Fall: Arbeitnehmerin klagt Urlaubsansprüche bei Langzeiterkrankung ein

Die Klägerin war infolge einer Langzeiterkrankung arbeitsunfähig. Vom Jahresurlaub 2017 blieben 14 Urlaubstage übrig. Die beklagte Arbeitgeberin hatte sie weder angewiesen, diese Urlaubstage zu in Anspruch zu nehmen, noch darüber informiert, dass sie mit Jahresende oder Ablauf des Übertragungszeitraums erlöschen könnten. Nach Ansicht der Klägerin sei kein Verfall des Urlaubs eingetreten, weil die Arbeitgeberin diese Hinweispflichten nicht umgesetzt hatte. Die Beklagte berief sich darauf, dass die Urlaubsansprüche spätestens mit Ende des 31. März 2019 verfallen seien. Die Klägerin wollte eine gerichtliche Feststellung erwirken, wonach sie einen Anspruch auf 14 Urlaubstage habe.

Das Urteil: BAG ruft EuGH an, um über Verfall der Urlaubsansprüche zu entscheiden

Die ersten zwei Instanzen hatten die Klage abgewiesen. Um die Frage zu klären, ob die Urlaubstage der langzeiterkrankten Arbeitnehmerin aus 2017 am 31. März 2019 verfallen sind, rief das BAG den EuGH an (Urteil des BAG vom 7. Juli 2020, Az. 9 AZR 401/19). Bisher hatte das Bundesarbeitsgericht in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung die Meinung vertreten, dass Ansprüche auf gesetzlichen Mindesturlaub am Ende des Kalenderjahres oder mit Ablauf des Übertragungszeitraums verloren gehen (§ 7 Absatz 3 Bundesurlaubsgesetz), sofern der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nachgekommen ist. Wenn die Arbeitnehmerin aus Krankheitsgründen ihre Arbeitsleistung nicht erbringen konnte, verfallen die Urlaubsansprüche nach EuGH-Rechtsprechung 15 Monate, nachdem das Urlaubsjahr abgelaufen ist.

Nunmehr muss der EuGH entscheiden, ob das EU-Recht das Erlöschen der Urlaubsansprüche mit dem Ende der 15-Monatsfrist zulässt, wenn die Arbeitgeberin ihre Hinweispflicht im Urlaubsjahr nicht wahrgenommen hat, obwohl die Arbeitnehmerin die Urlaubstage vor dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit wenigstens zum Teil hätte aufbrauchen können.