Ist ein Crowdworker als Selbstständiger oder Arbeitnehmer der auftraggebenden Internetplattform einzustufen? Über diese Frage musste das BAG entscheiden.
Der Fall: Auftragsverhältnis zwischen Crowdworker und Online-Plattform
Der fünfzigjährige Kläger erledigte für die beklagte Internetplattform seit 2017 diverse Kleinjobs (Mikrojobs), die die Warenpräsentation in Tankstellen und Geschäften betraf. Zwischen dem Crowdworker und dem Online-Portal gab es ein Auftragsverhältnis. Allerdings durfte der Kläger selbst entscheiden, ob er Aufträge annimmt oder nicht. Im Jahr 2018 beendete die Online-Plattform das Auftragsverhältnis per E-Mail. Der Crowdworker setzte sich vor dem Arbeitsgericht gegen diese „Kündigung“ zur Wehr. Er berief sich darauf, dass zwischen ihm und dem Betreiber der Internetplattform ein Arbeitsverhältnis bestehe. Die Beklagte verwies auf den Status eines Selbstständigen. Im Rahmen des Rechtsstreits sprach sie im Juni 2019 die Kündigung aus.
Das Urteil: Arbeitnehmereigenschaft erfüllt
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht München wiesen die Klagen zurück. Laut BAG erbrachte der Kläger in persönlicher Abhängigkeit fremdbestimmte und weisungsgebundene Tätigkeiten, wie sie für Arbeitnehmer typisch sind (Urteil des BAG vom 1. Dezember 2020, Az. 9 AZR 102/20). Aus dem Vertrag ergab sich zwar keine Verpflichtung, Aufträge anzunehmen. Die Online-Plattform war jedoch so organisiert, dass angemeldete Nutzer fortlaufend Kleinstaufträge übernehmen, um diese persönlich auszuführen. Ein Bewertungssystem veranlasste sie zur ständigen Annahme von Kontrolltätigkeiten, um einen lukrativeren Stundenlohn zu realisieren. Außerdem könne der Kläger seine Arbeit für die Online-Plattform nicht nach Ort, Zeit und Inhalt frei bestimmen. Dieser Crowdworker sei als Arbeitnehmer des Online-Portals einzustufen gewesen. Im Rahmen des Rechtsstreits kam es jedoch zu einer ordnungsgemäßen Kündigung. Es liege daher kein Arbeitsverhältnis vor. Hinsichtlich der Höhe der Vergütungsansprüche verwies das BAG die Rechtssache zurück an das Landesarbeitsgericht München.
Für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft ist laut Gesetz eine Gesamtwürdigung aller Umstände entscheidend. Die vertragliche Bezeichnung gebe nicht den Ausschlag, sondern die tatsächliche Ausführung des Vertragsverhältnisses.
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