Das Corona-Pandemiejahr 2020 hat sich laut dem Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (WEF) auf die Gleichberechtigung von Frauen negativ ausgewirkt. Demnach wäre die Gleichstellung nicht nach 95 Jahren (Prognose aus dem Jahr 2019), sondern erst nach 135,6 Jahren (Berücksichtigung des Coronajahres 2020) erreicht. Das entspricht einem Rückschritt von 40 Jahren. Deutschland landete im Jahr 2020 im internationalen Gleichstellungsindex auf dem elften Platz (insgesamt 156 Länder) und hat sich damit um einen Rang verschlechtert. Auch eine aktuelle Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt eine Verstärkung geschlechtsspezifischer Unterschiede bei erwerbstätigen Müttern und Vätern auf.

Gender Pay Gap

Auf Ebene der 34 EU-Länder belegt Deutschland in puncto Gender Pay Gap (Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern) den 31. Platz. Nur Estland, Österreich und Tschechien schneiden bei den Verdienstlücken noch schlechter ab. Am kleinsten fallen die Lücken in Luxemburg, Rumänien und Italien aus.

Gender Time Gap

In puncto Arbeitszeit geraten berufstätige Frauen weiter ins Hintertreffen, weil sie oftmals aufgrund ihrer Rolle als Mutter coronabedingt ihre berufliche Tätigkeit herunterfahren, um den Nachwuchs in Zeiten geschlossener Schulen und Kindertagesstätten zu beaufsichtigen. Damit vergrößert sich die Gender Time Gap. Laut einer WSI-Studie war die Arbeitszeit berufstätiger Mütter vor der Corona-Pandemie durchschnittlich zehn Stunden pro Woche kürzer als jene der berufstätigen Väter. Im Frühjahr 2020 stieg der Unterschied auf zwölf Stunden. Auch im November war er mit elf Stunden noch höher als vor der Krise.

Corona-bedingte Arbeitszeitreduzierung für Kinderbetreuung

Die coronabedingte Arbeitszeitreduzierung bringt die Gefahr mit sich, dass einige betroffene Frauen nach dem Ende der Krisensituation die Arbeitszeit nicht mehr aufstocken können, weil der Arbeitgeber daran nicht interessiert ist. Dies könnte zu einem Verharren in ungewünschten Teilzeitbeschäftigungen führen. So mancher Arbeitgeber wertet kürzere Arbeitszeiten aus familiärem Hintergrund als geringeres Engagement. Dies kann wiederum zu niedrigeren Löhnen und schlechteren Aufstiegschancen führen.

Chance für mehr Gleichberechtigung?

Insgesamt wäre die Corona-Pandemie eine Chance, die Gleichberechtigung in puncto Kindererziehung und Haushaltspflichten voranzutreiben und die Gender Care Gap etwas zu verkleinern. Tatsächlich hat sich aber bei knapp 75 Prozent der Familien an der Aufteilung der Kinderbetreuungspflichten nichts geändert. Bei einigen Familien hat sich sogar die traditionelle Rollenverteilung zwischen Müttern und Vätern während Corona noch verstärkt. Dem stehen einige Väter gegenüber, die aufgrund von Kurzarbeit oder Homeoffice mehr Zeit in die Kindererziehung investiert haben.