Ein schwerbehinderter Studienabsolvent wurde nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen, weil er die geforderte Mindestnote nicht mitbrachte. Über diesen Fall entschied das Bundesarbeitsgericht.

Der Fall: Mindestnote nicht erreicht, daher kein Vorstellungsgespräch

Ein schwerbehinderter Absolvent bewarb sich auf eine ausgeschriebene Stelle als Referent beim Bundesamt für Verfassungsschutz, wobei er in seiner Bewerbung auf seine Schwerbehinderung hinwies. Die Beklagte verlangte ein abgeschlossenes wissenschaftliches Hochschulstudium mit Mindestnote „Gut“. Der Kläger hatte das Studium mit „Befriedigend“ abgeschlossen. Im Juli 2018 erhielt er eine Absage per E-Mail.

Der abgewiesene Stellenbewerber forderte außergerichtlich eine Entschädigung nach § 15 Absatz 2 AGG. Laut Ansicht der Beklagten erfüllte der Kläger wegen der Endnote „Befriedigend“ die formalen Anforderungen nicht, weshalb keine Einladung zum Vorstellungsgespräch erfolgen musste. Der Kläger machte seinen Entschädigungsanspruch gerichtlich geltend, weil er eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung witterte. Er verwies auf seine fachliche Eignung und auf die enge Auslegung der Ausnahmevorschrift von der Einladungspflicht (§ 165 Satz 4 SGB IX). Die Endnote des Studiums heranzuziehen, widerspreche dieser engen Auslegung. Zudem habe die Beklagte dieses Kriterium nicht während des gesamten Auswahlprozesses verlangt.

Das Urteil: Bewerber fachlich nicht geeignet

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen gab das Bundesarbeitsgericht der Klage statt. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, dass die Beklagte die Mindestnote „Gut“ als Auswahlkriterium definieren durfte und daher der Bewerber die fachliche Eignung nicht hatte, war zwar richtig. Allerdings habe das Landesarbeitsgericht nicht kontrolliert, ob die Beklagte auch keine anderen Bewerber, denen diese Mindestnote fehlte, zum Bewerbungsgespräch eingeladen hat (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. April 2021, Az. 8 AZR 276/20). Die entsprechende Darlegungs- und Beweislast liege bei der Beklagten. Das Bundesarbeitsgericht hob die Entscheidung auf und wies sie zur neuerlichen Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurück.

Grundsätzlich müssen öffentliche Arbeitgeber schwerbehinderte Bewerber gemäß § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Bewerbungsgespräch einladen, es sei denn sie bringen die fachliche Eignung offensichtlich nicht mit. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn ein Bewerber eine bestimmte Mindestnote, die der Arbeitgeber als zwingendes Auswahlkriterium definiert hat, nicht erfüllt.