Muss ein Arbeitgeber tarifliche Freistellungstage, an denen der Mitarbeiter erkrankt war, neuerlich gewähren? Diese Frage hatte das LAG Nürnberg vor einigen Monaten verneint. Das LAG Stuttgart entschied wenig später in einem ähnlichen Fall ganz anders.
Der Fall: Mitarbeiter erkrankt während Freistellung
Ein Systemmonteur nutzte eine Freistellungsklausel des Manteltarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg-Nordbaden, um sich im April 2020 für vier Tage für die Kinderbetreuung freistellen zu lassen. Tatsächlich erkrankte er in diesem Zeitraum und war arbeitsunfähig. Daraufhin forderte der den Arbeitgeber auf, ihm die vier Freistellungstage nochmals zu gewähren. Das Unternehmen lehnte eine neuerliche Freistellung ab, zumal der Anspruch bereits erloschen sei. Das Risiko, an den Freistellungstagen zu erkranken, trage der Mitarbeiter, nicht der Arbeitgeber.
Das Urteil: Arbeitgeber muss Freistellungstage erneut gewähren
Das LAG Baden-Württemberg bejahte den Anspruch des Mitarbeiters auf Gewährung der vier Freistellungstage, an denen er aufgrund einer Erkrankung arbeitsunfähig war (Urteil des LAG Baden-Württemberg vom 7. Mai 2021, Az. 12 Sa 6/21). Es ging bei diesem tariflichen Freistellungsanspruch von einem Verschaffungsanspruch aus, den der Arbeitgeber bisher noch nicht erfüllt habe. Um einen solchen Anspruch zu erfüllen, reiche die Freistellungserklärung des Unternehmens nicht aus. Vielmehr müsse der Arbeitnehmer die gewährte Freistellung auch tatsächlich verwirklichen können. Dies ergebe sich zwar nicht aus dem Wortlaut, aber aus der Systematik und dem Zweck des tariflichen Freistellungsanspruches.
Laut Ansicht des LAG Baden-Württemberg strebten die Tarifparteien für bestimmte Mitarbeitergruppen, die betrieblich und privat besonders belastet sind, Begünstigungen an. Das Zusatzgeld werde unabhängig davon geleistet, ob der Mitarbeiter arbeitsunfähig war. Diese Regelung müsse auch auf die Freistellungstage anwendbar sein.
Dafür gibt es einen Grund: Das Wahlrecht zwischen dem zusätzlichen Urlaubsgeld und der tariflichen Freistellung dürfe nicht darauf hinauslaufen, dass sich die Rechtsposition des Mitarbeiters verschlechtert. Daher müsse der Arbeitnehmer nicht das Krankheitsrisiko während der Freistellungstage tragen. Es bleibt abzuwarten, wie das Revisionsgericht entscheiden wird.
Jedenfalls sind sich die Gerichte in dieser Frage nicht einig, wie die vergangene Rechtsprechung zeigt. Laut Urteil des LAG Nürnberg habe der Arbeitgeber den Freistellungsanspruch bereits mit der Gewährung desselben erfüllt (Urteil des LAG Nürnberg vom 3. März 2021, Az. 2 Sa 343/20). Das LAG Baden-Württemberg entschied hingegen so wie bei einer Erkrankung im Urlaub. Demnach darf ein Arbeitnehmer, der während seines Urlaubs erkrankt, die versäumten Urlaubstage später nachholen, wenn er eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorweist.
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