Bei nicht tarifgebundenen Unternehmen kann es mit den Mitarbeitern zu Rechtsstreitigkeiten kommen, wenn es um die Höhe der Entlohnung geht. Dies kommt insbesondere dann vor, wenn andere regionale Arbeitgeber des gleichen Wirtschaftszweigs die Tarifvergütung zahlen.

Anspruch auf Tarifvergütung ohne Tarifvertragsbindung

Unter bestimmten Voraussetzungen können Mitarbeiter auch ohne Tarifvertragsbindung eine Bezahlung nach Tariflohn beanspruchen. Dies ist dann der Fall, wenn über die Hälfte der Arbeitgeber eines bestimmten Wirtschaftsgebiets tarifgebunden ist oder wenn mehr als die Hälfte der Mitarbeiter in einer solchen Region bei tarifgebundenen Unternehmen arbeitet. Dann ist davon auszugehen, dass diese Tarifvergütung üblich ist. In diesem Fall darf die Entlohnung von Mitarbeitern, die keinem Tariflohn unterliegen, nicht um mehr als ein Drittel niedriger sein als die Tarifvergütung.

Wenn im jeweiligen Wirtschaftsgebiet keine überwiegende tarifliche Bindung besteht, gilt die verkehrsübliche Entlohnung als Richtwert. Dies hat das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern im Falle einer Mitarbeiterin der Getränkeindustrie entschieden (Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26. Juli 2022, Az. 5 Sa 284/21).

Beispielfall: Brauereimitarbeiterin fordert höhere Vergütung

Die klagende Arbeitnehmerin verlangte vom Unternehmen konkret den Differenzbetrag zwischen ihrer Vergütung und dem branchenüblichen Tariflohn. Sie berief sich darauf, dass ihr Stundenlohn aufgrund der Tarifvergütung im betroffenen Wirtschaftsgebiet sittenwidrig gering ist. Über 60 Prozent der Mitarbeiter seien in diesem Gebiet an den Tarifvertrag gebunden. Der Arbeitgeber verweigerte mit Hinweis auf das regionale Vergütungsniveau im betreffenden Gebiet (Umkreis: 30 Kilometer) die geforderte Zahlung.

LAG: Entlohnung der Mitarbeiterin ist nicht sittenwidrig

Die Klage der Brauereimitarbeiterin war erfolglos. Das LAG Mecklenburg-Vorpommern vertrat die Ansicht, dass die Vergütung der Brauereimitarbeiterin ortsüblich ist und damit nicht als sittenwidrig einzustufen ist. Es verneinte eine überwiegende tarifliche Bindung im gegenständlichen Gebiet, zumal lediglich 23 Prozent der Arbeitnehmer tarifgebunden seien. Demnach sei die Vergütung der Mitarbeiterin nicht nach dem Tariflohn, sondern nach der verkehrsüblichen Entlohnung zu beurteilen.

Das Landesarbeitsgericht wies darauf hin, dass der durchschnittliche Stundenlohn für ungelernte Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern bei rund 12 Euro lag. Die Arbeitnehmerin habe 10,10 Euro und eine Zulage von 0,25 Euro pro Stunde sowie Weihnachtsgeld und Nachtarbeitszuschläge erhalten. Damit sei die Vergütung der Brauereimitarbeiterin nicht um mehr als ein Drittel niedriger als der anzusetzende Bruttostundenlohn im gegenständlichen Wirtschaftsgebiet.

Da die erhaltene Vergütung der Arbeitnehmerin nicht sittenwidrig niedrig ist, steht ihr laut LAG Mecklenburg-Vorpommern kein Lohnaufschlag zu.