Wenn das Ende von Krankschreibung und Kündigungsfrist zeitlich übereinstimmen und der Arbeitnehmer unmittelbar danach einen neuen Job antritt, wirft dies Zweifel auf, ob der Betroffene tatsächlich arbeitsunfähig war. Das BAG hatte in einem solchen Fall über den Beweiswert der AU-Bescheinigung zu entscheiden.
Der Fall: Krankschreibung und Kündigungsfrist enden zeitgleich
Am 2. Mai 2021 legte der Kläger dem beklagten Zeitarbeitsunternehmen eine ärztliche Krankschreibung für vier Tage vor. Am 3. Mai 2021 erhielt er die ordentliche Kündigung mit Wirkung zum Monatsende. Dann ließ er sich mit zwei weiteren Attesten bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses krankschreiben. Der Arbeitgeber leistete keine Lohnfortzahlung, weil er Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit hegte, zumal die Krankschreibung genau mit dem Beschäftigungsende geendet und der Kläger einen Tag später seine neue Stelle angetreten hatte. Der Betroffene klagte auf Entgeltfortzahlung, weil er sich bereits einen Tag vor der Arbeitgeberkündigung krankgemeldet hatte.
Das Urteil: Zweifel an Beweiswert der AU-Bescheinigung
Das LAG Niedersachsen sprach die Lohnfortzahlung zu. Es sah die Krankmeldung nicht als durch die Kündigung motiviert an, zumal der Arbeitnehmer dieselbe erst nach seiner Krankschreibung erhalten hatte. Zum Zeitpunkt, als er die AU-Bescheinigung vorlegte, wusste er noch nichts von der bevorstehenden Arbeitgeberkündigung (Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 8. März 2023, 8 Sa 859/22).
Bezüglich der ersten Krankschreibung teilte der BAG die Rechtsansicht des Erstgerichts. Den zwei nachfolgenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sprach das Höchstgericht jedoch den Beweiswert ab. Hier sei nämlich der direkte zeitliche Zusammenhang zwischen der Verlängerung der Krankschreibung und der Kündigungsfrist zu berücksichtigen. Außerdem habe der Kläger direkt nach der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses (= auch Ende der AU-Bescheinigung) seine neue Stelle angetreten. Für diesen Zeitraum müsse der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass tatsächlich eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Dies sei die Voraussetzung für den Lohnfortzahlungsanspruch gemäß § 3 Absatz 1 EFZG (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Dezember 2023, 5 AZR 137/23). Das BAG verwies die Rechtssache an das LAG Niedersachsen zurück, das nun neuerlich verhandeln und entscheiden muss.
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