Nicht jedes unsachgemäße Hantieren mit einem Messer im Halsbereich einer Kollegin ist ein wirksamer Kündigungsgrund. Dies ergibt sich aus einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein.
Der Fall: angebliche Bedrohung einer Kollegin mit Filetiermesser
Der Kläger, ein angestellter Industriemechaniker, arbeitete mit einer Arbeitskollegin an einem Probierstand. Dabei hielt er ihr ein Filetiermesser nah an den Hals. Die Betroffene fühlte sich dadurch bedroht. Der beklagte Arbeitgeber reagierte in Absprache mit dem Betriebsrat mit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung. Als Begründung nannte er eine arbeitsrechtliche Pflichtverletzung, nicht eine strafrechtliche vorsätzliche Bedrohung. Der Kläger habe durch sein Verhalten Leib und Leben der Mitarbeiterin konkret gefährdet. Er ging mit einer Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vor.
Das Urteil: Kündigung unwirksam, kein bedingter Tatvorsatz
Das LAG Schleswig-Holstein hielt ebenso wie das Arbeitsgericht Lübeck die fristlose Kündigung für unwirksam. Zwar sei die ernstliche Bedrohung einer Kollegin ein möglicher Kündigungsgrund. Allerdings zweifelte das Gericht daran, dass der Kläger die Drohung ernst gemeint habe. Der Kläger habe das Filetiermesser sofort nach der Aufforderung der Arbeitskollegin zur Seite gelegt. Auch der Umstand, dass die vermeintlich Bedrohte unmittelbar nach dem Vorfall gelacht und erst viel später den Betriebsrat um Unterstützung gebeten habe, spreche dagegen, dass sie die Bedrohung als ernst gemeint aufgefasst habe. Das Gericht konnte keinen bedingten Tatvorsatz erkennen.
Auch die vom Arbeitgeber angenommene, arbeitsrechtliche Pflichtverletzung könne die Kündigung nicht rechtfertigen. Der Arbeitgeber hätte wegen dieses fahrlässigen Handelns mit dem Messer zunächst eine Abmahnung aussprechen müssen. Außerdem stehe nicht fest, dass der Kläger das Filetiermesser bewusst an den Hals der Kollegin gehalten habe. Eine Verdachtskündigung liege im vorliegenden Fall ebenfalls nicht vor. Dafür fehle es an einer schwerwiegenden Pflichtverletzung, auf die sich der dringende Tatverdacht beziehen müsse (Urteil des LAG Schleswig-Holstein vom 13. Juli 2023, Az. 5 Sa 5/23).
Das unsachgemäße Hantieren mit einem Messer in der Nähe einer Arbeitskollegin ist nicht zwingend ein Kündigungsgrund. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht hinreichend geklärt werden kann, ob es sich um eine ernstgemeinte Drohung oder ein Ungeschick gehandelt hat.
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