Überzählige Maultaschen, liegengebliebene Leergutbons oder gar ein Kinderbett aus dem Müll – wenn Arbeitnehmer Dinge an sich nehmen oder verzehren, die sonst im Auftrag des Arbeitgebers eventuell sogar entsorgt werden müssten, laufen sie Gefahr wegen eines Bagatelldeliktes gekündigt zu werden. Aber ist das rechtens?
Die derzeitige Gesetzeslage ist eindeutig, ihre Umsetzung jedoch nicht. Natürlich ist jede Form von Diebstahl im Arbeitsleben grundsätzlich verboten, allerdings liegt es im Einzelfall im Ermessensspielraum des Arbeitgebers, ob er von seinem Recht auf Kündigung Gebrauch macht. Zumal die Gerichte sich keinesfalls einig darüber sind, ob ein Arbeitgeber einen Mitarbeiter wegen des Verzehrs eines Stückchens Bienenstich oder wegen der Mitnahme von ein paar nicht mehr benötigten Maultaschen fristlos kündigen darf. Innerhalb der Bevölkerung führen diese Fälle fristloser Kündigung häufig zu absolutem Unverständnis. Es erscheint wohl vielen Arbeitnehmern so, als ob Manager den „Karren in den Dreck fahren“ dürften und dennoch mit Abfindung gehen, während der kleine Mann wegen Nichtigkeiten fristlos gekündigt wird.
Kein neues Problem
In den letzten Jahren mehrten sich Berichte über fristlose Kündigung im Zusammenhang mit Bagatelldelikten. Schaut man genauer hin, ist es jedoch so, dass solche Fälle nur vermehrt thematisiert werden – es gibt sie schon seit Jahrzehnten. Einer der berühmtesten Fälle wird bald 30 Jahre alt: der berühmte „Bienenstich-Fall“ stammt aus dem Jahr 1984 (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 17.05.1984 – gerichtliches Aktenzeichen: 2 AZR 3/83). Eine Mitarbeiterin in der Gastronomie entnahm ein Stück Kuchen aus dem Warenbestand eines Kaufhauses ohne zu bezahlen und verzehrte es hinter der Bedienungstheke. Ebenfalls 1984 findet sich ein weiterer Fall (Urteil v. 20.09.1984 – 2 AZR 633/82): Ein Mitarbeiter entwendete seinem Arbeitgeber drei Kiwis und musste die fristlose Kündigung akzeptieren.
Gegensätzliche Urteile
Prüft man allerdings die im Zusammenhang mit Kündigungen aufgrund von Bagatelldelikten stehenden Urteile, so gibt es auch Fälle, in denen der Arbeitgeber die Kündigung zurückziehen musste: Beispielsweise bestätigte das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg im sogenannten „Kinderbettfall“ (gerichtliches Aktenzeichen: 13 Sa 59/09) mit der Entscheidung vom 10. Februar 2010 die Unwirksamkeit einer Kündigung.
In diesem Fall hatte ein langjähriger Mitarbeiter eines Abfallentsorgungsunternehmens in einem Altpapiercontainer des Arbeitgebers einen Karton mit einem Kinderreisebett gefunden und dieses mitgenommen. Der Arbeitgeber wies daraufhin, dass der Mitarbeiter zuvor abgemahnt und damit in jedem Fall informiert gewesen sei, dass die Mitnahme zu entsorgender Gegenstände grundsätzlich verboten sei und kündigte fristlos. Das Landesarbeitsgericht gab dennoch dem Arbeitnehmer recht. Obwohl das Verhalten des Mitarbeiters als Pflichtverstoß anzusehen ist, so sei die Kündigung angesichts des „langjährigen, recht störungsfreien Arbeitsverhältnisses und des fehlenden wirtschaftlichen Wertes des entsorgten Kinderbettes“ nicht verhältnismäßig.
Das Thema der Verhältnismäßigkeit und potentieller Bagatellgrenzen finden Sie in Teil 2.
Hinterlasse einen Kommentar