Die Mitte der 1990er Jahre neu eingeführte Pflegeversicherung nach dem SGB XI, dem elften Sozialgesetzbuch, ist im Laufe von zwei Jahrzehnten bereits dreimal maßgeblich ergänzt worden, zuletzt im Januar 2015 um das Pflegestärkungsgesetz (PSG I). Zwei Jahre später soll ab 2017 das Pflegestärkungsgesetz II, kurz PSG II, folgen. Die amtierende Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, im Laufe ihrer Legislaturperiode durch PSG I und II die soziale sowie gesellschaftliche Situation von Pflegebedürftigen zu verbessern und zu stärken.

Ziele des Pflegestärkungsgesetzes

Umgangssprachlich wird von der Pflegereform gesprochen, die in zwei Stufen umgesetzt werden soll. Die Maßnahmen stehen unter dem Motto „Mehr Leistungen und bessere Betreuung von Pflegebedürftigen“. Zunächst werden seit Januar 2015 die folgenden Verbesserungen innerhalb der Pflege und der damit verbundenen gesetzlichen Pflegeversicherung realisiert;

  • erhöhte und bessere Flexibilität in der häuslichen Pflege
  • Anhebung der verschiedenen Leistungsbeträge
  • verbesserte personelle Heimbetreuung
  • bessere und tarifliche Vergütung von Mitarbeiter/innen in Pflegeberufen
  • Förderung von ambulanten Wohngruppen nach den §§ 38a und 45e SGB XI
  • Schaffung eines Pflegevorsorgefonds nach den §§ 131 bis 139 SGB XI

Bundesminister sieht Pflegekassen und Pflegedienste in der Pflicht

Ganz allgemein wird von einem „permanenten Pflegenotstand“ gesprochen. Gemeint ist damit die personelle Pflegesituation beim stationären Aufenthalt von Pflegebedürftigen in Pflege- sowie in Altenpflegeheimen. Dort gibt es sowohl zahlenmäßig als auch in Hinblick auf die Qualifikation deutlich zu wenig Personal. Mit der finanziellen Hilfe der Bundesregierung von rund 500 Millionen Euro sollen die Personalkosten für etwa 20.000 zusätzliche Pflege- und Betreuungskräfte in vorhandenen oder auch neuen stationären Einrichtungen gefördert werden.

An dieser Stelle sind die Pflegekassen gefragt. Mindestlöhne und Tariferhöhungen müssen von ihnen als leistungsfähig anerkannt und sowohl an die Heimträger als auch an die ambulanten Pflegedienste gezahlt werden. Sie müssen sich ihrerseits dazu verpflichten, alle Beschäftigten tariflich zu entlohnen. Damit will die Bundesregierung sicherstellen, dass alle ausgehandelten Tarife mit ihren Erhöhungen und Anpassungen auch tatsächlich bei jedem einzelnen Beschäftigten „ankommen“. Eine angebliche Unwirtschaftlichkeit von Pflegekräften wegen einer zu hohen tariflichen Bezahlung soll kein Argument mehr dafür sein, um buchstäblich am Personal zu sparen. Das Geld steht zur Verfügung; es muss in den kommenden Monaten und Jahren verantwortungsbewusst sowie sachgemäß abgerufen und eingesetzt werden.

Verbesserung von Leistungszahlungen

Sämtliche in Eurobeträgen quantifizierten Geld- und Sachleistungen sind zum 1. Januar 2015 um vier Prozent angehoben worden. Das gilt sowohl für die einzelnen Pflegestufen als auch für Sachleistungen, die in Euro bewertet werden. Die prozentuale Anhebung wird dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit über der für das laufende Jahr zu erwartenden Inflationsrate liegen. Den Pflegebedürftigen bleibt also auch tatsächlich mehr übrig im Geldbeutel. Diese gesetzlich vorgesehene Dynamisierung im Dreijahresrhythmus ist im § 30 SGB XI näher geregelt. Den Versicherten der Pflegestufe 0 stehen nach dem PSG I sowohl die Kurzzeitpflege als auch eine teilstationäre Pflege mit Tages-/Nachtpflege offen. Die Versicherten der Pflegestufe 0 können durch diese Verbesserung ambulante Leistungen erhalten, die bisher den Pflegebedürftigen ab der Pflegestufe I vorbehalten waren. Dazu gehören der Wohngruppenzuschlag sowie eine Anschubfinanzierung zwischen 2.500 und 10.000 Euro für die Bildung von Wohngruppen.

Entlastung und Verbesserung bei der häuslichen Pflege

Höhere Flexibilität zuhause lautet die Devise des PSG I. Tages- und Nachtpflege sowie Kurzzeit- und Verhinderungspflege sollen verbessert werden und insgesamt flexibler handhabbar sein. Auch Pflegebedürftige, die noch keiner Pflegestufe angehören, sollen auf solche individualisierten Leistungen zurückgreifen können. Zur Mitfinanzierung des Pflegevorsorgefonds, der die Pflege ganz allgemein stärken und sichern soll, wird ein Teil der Beitragserhöhung zur Pflegeversicherung zweckgebunden verwendet. Der Fonds wird zur nachhaltigen Finanzierung der Pflegeversicherung für die kommenden Jahrzehnte angelegt.