Bevor der Mindestlohn eingeführt wurde, gab es viel Lärm – viel Lärm um (fast) nichts, wie sich jetzt herausgestellt hat. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat nach anderthalb Jahren Mindestlohn Bilanz gezogen und überprüft, ob die ursprünglich angedrohte Entlassungswelle auch tatsächlich eingetreten ist.

Viele betroffene Unternehmen

Betriebe, die vom Mindestlohn betroffen sind, sind in Deutschland keine Seltenheit. 10 Prozent der über 16.000 befragten Betriebe hatten vor der Einführung des MiLoG mindestens einem Mitarbeiter weniger als den nun geltenden gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt. Besonders verbreitet waren so niedrige Stundenlöhne vor allem in der Land- und Forstwirtschaft, in der Gastronomie sowie im Einzelhandel, aber auch in anderen Branchen. Noch größer ist der Anteil der Unternehmen, die direkt oder indirekt mit der Einführung des Mindestlohns zu tun hatten – jeder fünfte Betrieb musste sich aktiv mit dem Thema auseinandersetzen.

Entlassungswelle ist ausgeblieben

Obwohl so viele Unternehmen durch den Mindestlohn höhere Personalausgaben hatten, ist die erwartete Entlassungswelle ausgeblieben – ursprünglich vermutete man die Bedrohung von mehreren hunderttausend Stellen. Nur 4,7 Prozent der Betriebe mussten überhaupt Mitarbeitern kündigen.

Am deutlichsten macht sich der Mindestlohn bei den Minijobs bemerkbar: Direkt nach dem Start der Neuregelung im vergangenen Jahr wurden etwa 90.000 Minijob-Arbeitsverhältnisse aufgelöst. Etwa die Hälfte der Betroffenen wurde allerdings fortan in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis weiterbeschäftigt, sodass sich auch hier der Schaden in Grenzen hielt. Nur jeder Zehnte der Minijobber musste sich arbeitssuchend melden.

Etwas Zurückhaltung bei der Neuschaffung von Stellen

10,4 Prozent der befragten Betriebe waren allerdings etwas vorsichtiger, wenn es um die Einstellung von neuen Kollegen ging. Insgesamt vermutet das IAB, dass etwa 60.000 Stellen nicht neu geschaffen worden sind, die es ohne die Einführung des Mindestlohns wahrscheinlich gegeben hätte.

Die Experten sind sich auf dem Hintergrund dieser Zahlen allerdings sicher, dass sich der Mindestlohn bei Weitem nicht so negativ auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt hat, wie man ursprünglich befürchtet hatte.

Wermutstropfen: Preiserhöhungen und Arbeitszeitkürzungen

Immerhin 18 Prozent der betroffenen Unternehmen haben sich allerdings dazu entschlossen, die Arbeitszeiten der Mitarbeiter zu kürzen, um eine finanzielle Mehrbelastung zu vermeiden. Sie profitieren also nur indirekt über den höheren Stundensatz vom Mindestlohn, haben aber keinen Cent mehr in der Tasche.

Derselbe Prozentsatz der Betriebe hat nicht an den Verträgen der Mitarbeiter oder deren Arbeitszeiten gedreht. Um die Kosten aufzufangen, nutzten sie dann aber die Stellschraube der Preise. In vielen Branchen machten sich Preiserhöhungen bemerkbar. Ob das den Empfängern des Mindestlohns gefallen dürfte, ist wohl eher fraglich.