Wer sich schon intensiver mit Gesprächstechniken auseinander gesetzt hat, stimmt mit Sicherheit der Aussage zu: Wer fragt, der führt! Aber gilt das auch für „geschriebene Gespräche“, d. h. für Fragen, die z. B. in Form einer Mitarbeiterbefragung gestellt werden?

Eine Gratwanderung: Antworten begrenzen oder Optionen offen lassen? 

Eine Mitarbeiterbefragung hat immer ein konkretes Anliegen vor Augen, wie die Erfassung der Zufriedenheit der Belegschaft oder die spezielle Auseinandersetzung mit einem zentralen Thema im Unternehmen (z. B. Betriebliches Gesundheitsmanagement). So weit so gut, der Rahmen einer Befragung steht also fest. Innerhalb dieses Rahmens gibt es jedoch vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Welche Anzahl von Fragen soll die Befragung enthalten? Ist die Befragung zu lang, senkt dies die Rücklaufquote oder die Qualität der Antworten. Bei zu kurzen Fragebögen bleibt trotzdem ein hoher Vorbereitungsaufwand, jedoch stellt sich die Frage nach dem Ergebnisgehalt. Hier ist das richtige „Augenmaß“ zwischen Aufwand bei der Konzeption, gefühltem Aufwand der Befragten und der Verwertbarkeit der erhaltenen Ergebnisse gefragt. Sollen quantitative Daten, qualitative Daten erhoben werden oder ist es eine Mischung aus beidem? Hoch im Kurs stehen selbstverständlich die geschlossenen Fragen, die über eine Skala oder vorgegebene Antwortkategorien zu beantworten sind. Sie lassen denjenigen, die Antworten sollen, wenig Spielraum, sind aber recht zügig auszuwerten. Oft sollen sich Mitarbeitende für diejenige Alternative entscheiden, die „am ehesten“ auf sie zutrifft. Aber was, wenn dem nicht so ist? Wenn einfach keine der vorgegebenen Optionen zutrifft? Abhilfe in solchen Situationen schaffen Bemerkungsfelder oder die Option, unter „Sonstige“ eigene Schlagworte einzutragen.

Offene Antworten: Überwiegt die Qualität der Antworten den enorm hohen Auswertungsaufwand?

Während bei der strikten Vorgabe ausgewählter Antwortalternativen ganz klar der Fragende führt, dreht sich das Blatt, sobald davon abgewichen werden kann. Stellen Sie sich vor, die Option „Sonstige“ wird von sehr vielen Befragten genutzt und alle tragen etwas anderes ein! Zugegeben, solche Antwortmuster sind eher unwahrscheinlich, führen aber zu einem erhöhten Auswertungsaufwand und durchkreuzen die wohlüberlegte Konzeption einer Befragung, die von Vornherein die Auswertung mitdenkt. Noch extremer wird es allerdings, wenn vollkommen offen zu beantwortende Fragen gestellt werden. Hier sind es oft nicht nur Schlagworte, die zusammengeführt werden müssen, sondern ganze Texte, die meistens mehrere Kernaussagen beinhalten. Diese sinnvoll auszuwerten ist mit großem Aufwand verbunden:

  1. Antworten sammeln
  2. Sinneinheiten bilden
  3. Oberbegriffe finden
  4. Oberbegriffe quantifizieren
  5. Ergebnisse aufbereite

Wer fragt muss auch mit Antworten rechnen!

Mit ihren freien Äußerungen können Befragte völlig neue Themenfelder öffnen, die das Unternehmen bei der Konzeption der Befragung bewusst oder unbewusst ausgespart hat. Diese
Antworten kommen jedoch nicht ohne Grund zu Stande, sondern drücken aus, was die Mitarbeitenden bewegt. Damit sind sie in jedem Fall wertvoll, auch wenn die Absicht einer Frage in einer anderen Richtung bestanden hat. In diesem Sinne sind Befragungen eben kein einseitig geführtes „Gespräch“, sondern leben von den Antworten der Befragten. Die Antworten sind nicht nur inhaltlich wertvoll, sondern lassen auch Rückschlüsse auf die Qualität des Fragebogens zu: Wird häufig zur Kategorie „Sonstige“ gegriffen, haben die vorgegebenen Felder wohl nicht alle relevanten Möglichkeiten abgedeckt. Und, wird sehr ausführlich auf offen formulierte Fragen geantwortet, ist zu überlegen, ob statt einer Befragung besser Interviews durchgeführt werden sollten. Selbstverständlich haben dann nicht alle Beschäftigten die Gelegenheit, sich zu beteiligen. Dafür entsteht jedoch im Gespräch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fragen und Antworten und beide Seiten FÜHREN es zu guten Ergebnissen.

Autorin: Sarah Rögner, Redakteurin des Fachportals PERWISS