Unzählige Bewerber und eine mehrköpfige Fachjury, diese typischen Elemente großer Talenteshows haben mittlerweile in Form von Bewerber-Castings auch Arbeitgeber außerhalb der Musik- und Fernsehbranche erreicht. Diese „castingähnlichen“ Auswahlverfahren sollen die klassische Bewerbung samt Vorstellungsgespräch ersetzen und dem Fachkräftemangel entgegenwirken.

Großunternehmen als Veranstalter von Bewerber-Castings

Einige Großunternehmen haben die Vorzüge des Castings für sich erkannt und veranstalten inzwischen ihre Bewerbungsverfahren in Form von Events. Sie laden Jobinteressenten an einem bestimmten Recruiting-Tag oder an mehreren Terminen zu Informations- und Vorstellungsgesprächen ein. Ein großer Vorteil dieser Bewerber-Castings besteht darin, dass bei entsprechender Bekanntmachung über die Website und die sozialen Netzwerke unzählige Bewerber dieser Einladung folgen.

Damit kann die Personalabteilung quasi aus dem Vollen schöpfen und binnen kurzer Zeit zahllose Jobinteressenten kennenlernen. Die Bewerber können ihrerseits direkt vor Ort ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, ohne die typischen Formalitäten eines langen Rekrutierungsprozesses erledigen zu müssen. Sie treten in der Regel vor eine mehrköpfige Jury, die sich vor allem von der Persönlichkeit und der Präsentationsfähigkeit der Jobinteressenten ein Bild machen kann. Da diese Castings meist an nur einem Tag über die Bühne gehen, ersparen sich die Unternehmen bei der Personalauswahl sehr viel Zeit.

Beispiele aus der Praxis: Azubis als Zielgruppe von Bewerber-Castings

Mit diesen Bewerber-Castings sprechen einige Großunternehmen hauptsächlich Schüler an, die Ausbildungsplätze suchen. Sie möchten mit dieser modernen Form des Bewerbungsverfahrens ungewöhnliche Wege einschlagen, um möglichst viele junge Bewerber zu erreichen und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Wenn man sich die Einladungen zu diesen Azubi-Castings ansieht, fällt auf, dass die Jobinteressenten kaum Formalitäten erledigen müssen. Im Regelfall sind spontan erscheinende Bewerber willkommen, sodass eine Anmeldung unterbleiben kann. Typischerweise müssen die Castingteilnehmer lediglich diese Unterlagen mitbringen:

  • Lebenslauf
  • Ausweisdokument
  • aktuelle Zeugnisse

Bei solchen Bewerber-Castings vergeben beispielsweise die Deutsche Bahn sowie die Fluggesellschaften Lufthansa und Eurowings Ausbildungsplätze an Lehrlinge. Die Unternehmen zeigen bei diesen Großevents die Karrieremöglichkeiten auf und informieren über die Ausbildung. Im Gegenzug liegt es an den Bewerbern, bei sogenannten „Speed-Datings“ ihre Stärken zu demonstrieren und ihren zukünftigen Arbeitgeber zu beeindrucken.

Wenig Realitätsbezug und mangelnde Qualität

Während die veranstaltenden Großunternehmen vom Erfolg dieser Bewerber-Castings überzeugt sind, gibt es Personalspezialisten, die dieses showähnliche Auswahlverfahren kritisch betrachten. Die Nachteile solcher „castingähnlichen“ Vorstellungsrunden sind insbesondere in diesen Punkten zu sehen:

  1. Große Anzahl ungeeigneter Bewerber

Die Veranstalter von Bewerber-Castings sprechen mit ihrer Einladung auch viele Bewerber an, die sich für den Ausbildungsplatz oder die Stelle nicht eignen. Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass keine Vorauswahl stattfindet.

  1. Willkürliche Auswahlkriterien

Im Castingprozess haben klare Bewertungskriterien, die sich an den Stellenanforderungen orientieren, kaum Platz. Hier geht es eher um die Momentaufnahme und das Empfinden der Jurymitglieder.

  1. Fehlender Realitätsbezug

Bewerber-Castings haben in der Regel nur wenig mit dem späteren Arbeitsalltag zu tun. Da der Realitätsbezug fehlt, gewinnen die Bewerber einen falschen Eindruck. Es besteht die Gefahr, dass sie eine Ausbildung beginnen, die ihnen nicht liegt, und sie später wieder abbrechen.

  1. Abschreckung für qualifizierte Bewerber

Bewerber, die über eine gute Ausbildung verfügen und qualifiziert sind, empfinden die Castingsituation mitunter als Beleidigung. Sie haben das Gefühl, dass ihre Fähigkeiten hier nicht ausreichend honoriert werden.

Bewerber-Castings sind vor allem bei Großunternehmen beliebt, die Ausbildungsplätze vergeben. Sie können eine interessante Alternative sein, um einen Konterpunkt zu oft wenig effektiven Stellenanzeigen zu setzen. Sie tragen jedoch die Gefahr in sich, dass die Qualität der Personalauswahl leidet.