Wenn ein Unternehmen ohne ausreichende Begründung die Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Mitarbeiters in den Betrieb ablehnt oder verzögert, muss es Schadenersatz leisten. Einen solchen Schadenersatzanspruch hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg jüngst einer schwerbehinderten Pädagogin zugesprochen, deren Wiedereingliederungswunsch der Arbeitgeber erst verspätet erfüllt hatte (Urteil des LAG Berlin-Brandenburg vom 23. Mai 2018, Az. 15 Sa 1700/17). Aus diesem Urteil lassen sich für Unternehmen, die schwerbehinderte Arbeitnehmer beschäftigen, einige Handlungspflichten ableiten.

Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung besteht auch bei Wiedereingliederung

Arbeitgeber müssen schwerbehinderten Mitarbeitern Tätigkeiten zuteilen, bei denen sie ihre Fähigkeiten und Kenntnisse weitgehend vollständig einsetzen und weiterentwickeln können (§ 164 Absatz 4 Satz 1 SGB IX). Ändert sich der Gesundheitszustand des Betroffenen, muss das Unternehmen die Fähigkeiten des schwerbehinderten Arbeitnehmers neu bewerten, alternative Einsatzgebiete prüfen und auf die Wünsche dieses Mitarbeiters eingehen. Laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht der Anspruch auf eine andere, den Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung auch im Falle einer Wiedereingliederung nach einer überstandenen Arbeitsunfähigkeit.

Schwerbehinderter Arbeitnehmer muss eine ärztliche Bescheinigung vorweisen

Der schwerbehinderte Mitarbeiter muss bei seinem Antrag auf Wiedereingliederung eine ärztliche Bescheinigung mit diesen Inhalten vorweisen:

  • Art und Weise der vom Arzt empfohlenen Tätigkeit
  • Beschäftigungsbeschränkungen
  • Ausmaß der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit
  • Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme
  • eine Einschätzung, wann der Arbeitnehmer seine Beschäftigung voraussichtlich antreten kann bzw. wieder voll arbeitsfähig ist

Mit der Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung kann der Betroffene eine Wiedereingliederung in einem passenden Tätigkeitsbereich einfordern. Der Arbeitgeber darf diesen Anspruch nur dann ablehnen, wenn es unzumutbar wäre, denselben zu erfüllen, oder wenn er unverhältnismäßige Aufwendungen tätigen müsste. Kommt er diesem Wiedereingliederungswunsch einer Schwerbehinderten nicht nach, muss er mit Schadenersatzzahlungen rechnen.

Beispiel: Arbeitgeber verzögert Wiedereingliederung einer schwerbehinderten Lehrerin

Dies belegt der Fall einer schwerbehinderten Lehrerin, die nach einer überstandenen Erkrankung im Januar 2015 die Wiedereingliederung einforderte. Der Arbeitgeber, das Land Berlin, hatte dieser Pädagogin die beantragte stufenweise Wiedereingliederung zunächst verweigert. Laut ärztlicher Prognose wäre die Lehrerin bereits ab dem 28. März 2015 wieder voll arbeitsfähig gewesen.

Verspätete Wiedereingliederung verursacht Lohneinbußen

Erst nach der Vorlage einer zweiten ärztlichen Bescheinigung entsprach das Land Berlin dem Wunsch auf Wiedereingliederung, die in diesen Stufen stattfand:

  1. Stufe ab dem 7. April 2015: 10 Stunden
  2. Stufe ab dem 29. April 2015: 16 Stunden
  3. Stufe ab dem 13. Mai 2015: Vollzeitbeschäftigung mit 26 Stunden pro Arbeitswoche

In dieser Phase der stufenweisen Wiedereingliederung zahlte der Arbeitgeber der Pädagogin eine Vergütung, die der jeweiligen Stundenzahl entsprach. Durch die verspätete Wiedereingliederung erlitt die schwerbehinderte Lehrerin Lohneinbußen, zumal sie schon ab dem 28. März 2015 voll arbeitsfähig gewesen wäre.

Schwerbehinderte Arbeitnehmerin kann Schadenersatz begehren

Der Arbeitgeber missachtete den Anspruch auf behindertengerechte Beschäftigung, weil er den ersten Antrag auf stufenweise Wiedereingliederung bis zum 28. März 2015 abgelehnt hatte. Die schwerbehinderte Lehrerin klagte das entgangene Gehalt in Höhe von 2.278 Euro als Schadenersatz ein.

Gericht spricht bei verspäteter Wiedereingliederung schwerbehinderter Mitarbeiter Schadenersatz zu

Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigte diesen Schadenersatzanspruch. Demnach müssen Arbeitgeber, die die stufenweise Wiedereingliederung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers verzögern, die durch die Verspätung eingetretenen Lohneinbußen nachzahlen. Einen Anspruch auf eine anderweitige Tätigkeit oder auf stufenweise Wiedereingliederung in die Arbeit haben lediglich Mitarbeiter mit schwerer Behinderung. Gegenüber anderen Beschäftigten, die nach einer überstandenen Erkrankung solche Wiedereingliederungswünsche äußern, gibt es keine vergleichbaren Arbeitgeberpflichten.