Entsendet ein Arbeitgeber seinen Mitarbeiter zu einem auswärtigen Arbeitseinsatz, muss er die Dienstreisezeiten, die für die An- und Abreise erforderlich sind, entlohnen. Dies geht aus einem aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts hervor, das sich mit der Auslandsentsendung eines Arbeitnehmers nach China beschäftigt. Aus dieser Entscheidung könnten sich für Arbeitgeber Änderungen bei der Vergütung von Dienstreisezeiten ergeben.

Beispielfall: Technischer Mitarbeiter fliegt zu Auslandseinsatz in China

Das BAG entschied über den Fall eines technischen Mitarbeiters, der laut Arbeitsvertrag auf in- und ausländischen Baustellen tätig werden musste (Urteil des BAG vom 17. Oktober 2018, Az. 5 AZR 553/17). Im Jahr 2015 absolvierte er einen mehrmonatigen Arbeitseinsatz auf einer Baustelle in China. Auf Wunsch des Mitarbeiters buchte die Arbeitgeberin für den Hin- und Rückflug eine Flugverbindung in der Business-Class mit Zwischenlandung in Dubai. Die Alternative wäre eine direkte Flugverbindung nach China in der Economy-Class gewesen.

Für die Dienstreisezeit im Ausmaß von vier Tagen bezahlte die Arbeitgeberin eine Vergütung für jeweils acht Stunden pro Reisetag (Gesamtbetrag: 1.149,44 Euro). Diese Entlohnung der üblichen Arbeitszeiten war dem Mitarbeiter zu wenig. Er verlangte eine Entschädigung für weitere 37 Stunden. Diese Forderung begründete er damit, dass die gesamte Reisedauer für den Hin- und Rückweg von seinem Wohnsitz bis zur Baustelle in China als Arbeitszeit abzugelten sei.

BAG: Arbeitgeber muss die tatsächlich notwendige Dienstreisezeit als Arbeitszeit entlohnen

Das BAG stellte klar, dass die Reisezeit zum ausländischen Arbeitsort regelmäßig wie Arbeitszeit zu entlohnen ist. Die Dienstreise liege im Interesse des Arbeitgebers, der seinen Mitarbeiter zu einem Auslandseinsatz entsendet. Allerdings müsse das Unternehmen bei einer An- und Abreise mit dem Flugzeug lediglich jene Reisezeit entlohnen, die für eine Reise in der Economy-Class erforderlich ist.

Im vorliegenden Fall habe der Mitarbeiter auf eigenen Wunsch einen Flug in der Business-Class mit Zwischenlandung in Dubai genommen. Demnach sei die tatsächliche Reisedauer länger ausgefallen als die notwendige Reisezeit in der Economy-Class. Für die Flugstrecke hätte es einen Direktflug in der Economy-Class gegeben. Der Arbeitgeber müsse lediglich diese Reisezeit vergüten. Das BAG verwies die Rechtssache an das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz zurück, das nunmehr die tatsächlich notwendige Reisezeit in der Economy-Class erheben muss.

Auswirkungen der BAG-Entscheidung zur Dienstreisezeit auf die Praxis

Momentan ist für Arbeitsrechtsexperten noch nicht absehbar, welche Änderungen diese BAG-Entscheidung für die Praxis mit sich bringt. Fest steht, dass das BAG jene Zeit, die ein Flugzeug der Economy-Klasse bis zum angestrebten Zielort braucht, regelmäßig als Arbeitszeit einstuft und hierfür einen Vergütungsanspruch des Mitarbeiters bejaht. Dies gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer während der Flugzeit berufliche Tätigkeiten ausübt oder schläft. Absolviert der Mitarbeiter eine Dienstreise, gilt die Reisezeit als Arbeitszeit, egal was er während der Reisedauer tut.

Überstunden: Bei Dienstreisen zu weit entfernten Orten könnte diese BAG-Entscheidung dazu führen, dass wegen der langen Reisedauer Überstunden anfallen und zu vergüten sind. Wie dieser Vergütungsanspruch bei Reisezeiten im Detail aussehen soll, wird die noch ausständige Urteilsbegründung zeigen.

Experten erwarten, dass es Einschränkungen geben wird. Dies könnte beispielsweise leitende Mitarbeiter betreffen, die mangels ausdrücklicher Vereinbarung keine Überstundenvergütung bei langen Dienstreisen verlangen dürfen. Außerdem bleibt abzuwarten, wie das BAG jene Zeiten, die der Dienstreisende mit Warten oder Übernachtungen verbringt, bewerten wird. Dies gilt auch für die Berücksichtigung der zulässigen Höchstarbeitszeiten pro Tag und Woche.

Nachträgliche Vergütungsansprüche: Arbeitsrechtsexperten rechnen damit, dass normal entlohnte Mitarbeiter noch bis zum Ablauf der Verjährungsfrist von drei Jahren oder der vertraglich festgelegten Verfallsfrist von drei Monaten eine Überstundenvergütung für ihre Dienstreisezeiten verlangen können. Allerdings ist davon auszugehen, dass viele Vergütungsansprüche auf Nachzahlung bereits erloschen sind. Sobald das Bundesarbeitsgericht die Urteilsbegründung zur Vergütung der Dienstreisezeiten veröffentlicht hat, liegt es an den Arbeitgebern, ihre internen Regelungen über Dienstreisen zu überprüfen.