Dass eine ärztliche AU-Bescheinigung eine hohe Beweiskraft hat, zeigt ein Urteil des LAG Köln. Demnach müsse ein Arbeitgeber seine Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Mitarbeiters objektiv beweisen können.

Der Fall: krankgeschriebenen Mitarbeiter in Pizzeria gesehen

Der klagende Lagerist wurde von seiner Hausärztin wegen Magen-Darm-Problemen und Unwohlsein krankgeschrieben. Während dieser Arbeitsunfähigkeit sah ihn ein Vorgesetzter, wie er Pizzakartons umschichtete und in ein Lieferauto packte. Es folgte die fristlose Kündigung durch das beklagte Logistikcenter, das eine nichtgenehmigte Nebentätigkeit annahm und davon ausging, dass der Lagerist seine Erkrankung nur vorgetäuscht hatte. Der Lagerist berief sich in seiner Kündigungsschutzklage darauf, einem befreundeten Pizzeria-Betreiber lediglich kurzzeitig ausgeholfen zu haben. Außerdem sei er in dieser Zeit aufgrund einer depressiven Verstimmung in psychotherapeutischer Behandlung gewesen.

Das Urteil: Kündigung unwirksam, weil kein Nachweis für vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit

Das erstinstanzliche Gericht und das LAG Köln hielten die fristlose Kündigung des Lageristen für unwirksam. Es liege keine Verdachtskündigung vor, weil das Logistikcenter weder die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit durch den Lageristen noch die Nichtanzeige einer Nebentätigkeit schlüssig vorbringen konnte (Urteil des LAG Köln vom 10. Dezember 2021, Az. 8 Sa 491/20). Wenn ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit vortäuscht, sei dies zwar grundsätzlich ein Kündigungsgrund, zumal dieses Fehlverhalten regelmäßig als Betrug zu werten sei. Dies gelte dann, wenn der Mitarbeiter unter Vorlage eines ärztlichen Attests seiner Arbeit nicht nachgeht und Entgeltfortzahlung bezieht, obwohl er seine Krankheit tatsächlich nur vortäuscht.

Das Logistikcenter konnte im Kündigungsschutzprozess nicht nachweisen, dass es sich um eine vorgetäuschte Krankheit handelte, und damit die hohe Beweiskraft der ärztlichen AU-Bescheinigung nicht entkräften. Es habe insbesondere keine objektiven Tatsachen vorgetragen, die die Richtigkeit des Attests in Frage gestellt hätten. Ähnliches gelte für die Ausübung einer unangemeldeten Nebentätigkeit. Ebenso wenig habe der Lagerist den Heilungserfolg durch schweres genesungswidriges Verhalten riskiert. Die Beobachtungen, dass er kurzzeitig Pizzakartons ins Auto gepackt habe, sei hierfür nicht ausreichend.

Demnach müssen krankgeschriebene Arbeitnehmer nicht zwangsläufig das Bett hüten. Sie dürfen private Tätigkeiten ausüben, ohne eine Kündigung zu riskieren. Eine vorgetäuschte Erkrankung kann allerdings einen Kündigungsgrund darstellen.