Wenn ein Arbeitgeber begründete Hinweise darauf hat, dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Mitarbeiters zu Unrecht ausgestellt worden ist, bringt dies den Arbeitnehmer in Beweisnot. Im Zweifelsfall muss der Mitarbeiter nämlich beweisen, dass er tatsächlich krank gewesen ist. Das BAG hatte jüngst über den Beweiswert einer zweifelhaften AU-Bescheinigung zu entscheiden.
Der Fall: Arbeitgeber hat Zweifel an AU-Bescheinigung
Die klagende Mitarbeiterin einer Zeitarbeitsfirma kündigte am 8. Februar 2019 das Beschäftigungsverhältnis zum 22. Februar 2019. Zum selben Zeitpunkt reichte sie eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, die die Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist bescheinigte.
Die Arbeitgeberin leistete keine Entgeltfortzahlung. Sie stellte den Beweiswert der vorgelegten AU-Bescheinigung in Frage, zumal dieselbe exakt die Restlaufzeit des Beschäftigungsverhältnisses betraf. Mit dem Hinweis, vor einem Burnout gestanden zu haben, sprach die Klägerin von einer ordnungsgemäßen Krankschreibung und forderte die Lohnfortzahlung ein. Vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen kam sie mit ihrer Klage durch (Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 13. Oktober 2020, Az. 10 Sa 619/19).
Das Urteil: Mitarbeiter muss im Zweifelsfall Arbeitsunfähigkeit beweisen
Im Gegensatz dazu hegte das BAG Zweifel an der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin (Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 8. September 2021, Az. 5 AZR 149/21). Die Mitarbeiterin habe zwar die Arbeitsunfähigkeit durch Vorlage einer Bescheinigung nachgewiesen. Allerdings habe die Arbeitgeberin deren Beweiswert erschüttert, zumal die Arbeitsunfähigkeit genau die restliche Laufzeit des Beschäftigungsverhältnisses (8. Februar bis 22. Februar 2019) betreffe. Es gebe ernsthafte Zweifel daran, ob die Mitarbeiterin tatsächlich arbeitsunfähig war.
In einem solchen Zweifelsfall müsse die Mitarbeiterin aufgrund der Beweislastumkehr ihre tatsächliche Arbeitsunfähigkeit beweisen. Dies sei möglich, wenn der behandelnde Arzt vernommen werde, nachdem er von seiner Schweigepflicht entbunden worden sei. Das sei aber im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Mitarbeiterin legte nicht konkret genug dar, dass sie aufgrund einer Arbeitsunfähigkeit nicht arbeiten konnte. Deshalb wies das Bundesarbeitsgericht ihre Klage auf Entgeltfortzahlung ab.
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