Mitarbeiter, die kritische Äußerungen über den Arbeitgeber öffentlich machen wollen, müssen die angesprochenen Missstände vorab auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Überspitzte Kritik ist nicht immer von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Der Fall: Fristlose Kündigung wegen öffentlicher Kritik

Ein Therapeut wurde fristlos gekündigt, weil er die Klinik, in der er beschäftigt war, massiv kritisiert und diese Kritik zusätzlich im Internet öffentlich gemacht hatte. Er sprach von untragbaren Zuständen im Patientenumgang. Außerdem warf er der Klinik vor, für den Tod eines Patienten verantwortlich zu sein, weil eine fachärztliche Bewertung monatelang hinausgezögert worden sei. Zusätzlich stellte er Mobbingvorwürfe sowie Verleumdungen und Datenschutzverletzungen in den Raum. Die Arbeitgeberin selbst bezeichnete er als „Fachklinik für Bossing und Mobbing“. Es folgte die fristlose Kündigung.

Das Urteil: Grenze der Meinungsfreiheit überschritten

Das LAG Thüringen hielt die Kritik des Therapeuten für überzogen und damit die Kündigung für zulässig. Zwar gelte das Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz) im Arbeitsverhältnis. Kritische, auch überspitzte Aussagen seien daher zulässig.

Die im gegenständlichen Fall getätigten Äußerungen seien allerdings nicht mehr durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aufgrund der arbeitsvertraglichen Pflichten müsse der Mitarbeiter auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitgebers Rücksicht nehmen (§ 241 BGB). Demnach müssen Arbeitnehmer, die auf Missstände öffentlich aufmerksam machen möchten, die zugrundeliegenden Tatsachen erst sorgfältig auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Diese Überprüfung sei nicht erfolgt (Urteil des LAG Thüringen vom 19. April 2023, Az. 4 Sa 269/22). Der Therapeut habe die Grenzen der Meinungsfreiheit überschritten.

Die Tatsache, dass er die gravierenden Vorwürfe vor der Veröffentlichung nicht überprüft habe, verdeutliche, dass er vordergründig seinen Arbeitgeber schlechtmachen und bloßstellen wollte. Die Aussagen seien als aggressiv und feindlich einzustufen gewesen, die dem Arbeitgeber öffentlichen Schaden zufügen konnten.

Ebenso unzulässig und kündigungsrelevant ist Schmähkritik. Hierbei handelt es sich um Äußerungen, die ausschließlich darauf abzielen, die Person zu diffamieren, und keinerlei Sachbezug aufweisen. Dies traf im vorliegenden Fall nicht zu, weil die Kritik auf eine sachliche Auseinandersetzung hinauslaufen sollte.