Unternehmen, die schwerbehinderte Bewerber ablehnen und spezielle Schutzvorschriften missachten, kann die Zahlung einer Diskriminierungsentschädigung drohen. Dies ergibt sich aus einem BAG-Urteil.

Der Fall: Schwerbehinderter Bewerber klagt auf Entschädigung

Der Kläger, ein studierter Wirtschaftswissenschaftler mit schwerer Behinderung, übermittelte dem beklagten Unternehmen eine Bewerbung mit Hinweis auf seine Schwerbehinderung. Nach dem Erhalt einer Absage verlangte er eine Diskriminierungsentschädigung gemäß § 15 AGG. Das Unternehmen lehnte einen Entschädigungsanspruch ab, zumal es den Bewerber deshalb abgelehnt habe, weil er die Stellenanforderungen nicht erfüllt habe.

Der schwerbehinderte Bewerber ersuchte das Unternehmen erfolglos um einen entsprechenden Nachweis. Daraufhin brachte der Bewerber eine Klage auf Entschädigung in Höhe von 10.000 Euro ein, weil er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei.

Das Urteil: Unternehmen muss Diskriminierungsentschädigung zahlen

Das BAG sprach ihm eine Diskriminierungsentschädigung in Höhe von 7.500 Euro zu, zumal der Kläger aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Es nahm an, dass das Unternehmen den Betriebsrat über die Bewerbung nicht ordnungsgemäß informiert und damit gegen § 164 Absatz 1 Satz 4 SGB IX verstoßen habe. Dabei verwies es auf die entsprechende Vermutung einer behinderungsbedingten Benachteiligung des Bewerbers.

Der schwerbehinderte Kläger behauptete, dass das beklagte Unternehmen den Betriebsrat nicht informiert habe. Laut Ansicht des BAG hatte der Kläger keinerlei eigene Quellen, aufgrund derer er hätte beurteilen können, ob der Betriebsrat tatsächlich nicht ordnungsgemäß informiert worden ist. Diese tatsächlichen Umstände seien der Unternehmenssphäre zuzuordnen, in die der Kläger nicht in zumutbarer Weise einsehen kann. Informationsmöglichkeiten wie den Betriebsrat zu befragen oder ein Auskunftsverlangen gegenüber dem Unternehmen zu stellen, sah das BAG als untauglich und unzumutbar an.

Die vom schwerbehinderten Bewerber vorgebrachte Vermutung, das Unternehmen habe es verabsäumt, den Betriebsrat über die Bewerbung zu unterrichten, sei demnach eine Behauptung „ins Blaue hinein“. In der Folge wäre es am Arbeitgeber gelegen, die vermutete Benachteiligung durch Tatsachenvortrag zu widerlegen. Das Unternehmen habe keine Tatsachen vorgebracht, aus denen sich ableiten lässt, dass andere Gründe als die schwere Behinderung zur benachteiligenden Behandlung geführt haben. Dafür wären beispielsweise formale, für die Stelle unverzichtbare Anforderungen in Betracht gekommen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Das Vorliegen eines Rechtsmissbrauchs durch den Kläger verneinte das BAG (Urteil des BAG vom 14. Juni 2023, Az. 8 AZR 136/2).

Gemäß dieser BAG-Entscheidung müssen potenzielle Diskriminierungsopfer im Gerichtsverfahren bestimmte Diskriminierungsindizien nicht mehr beweisen. Es reicht vielmehr aus, wenn sie solche Indizien vermuten oder abstrakt behaupten, ohne konkrete tatsächliche Anhaltspunkte zu haben. Arbeitgeber sollten diese aktuelle Rechtsprechung berücksichtigen, um keine Entschädigungszahlungen zu riskieren. Im Idealfall dokumentieren Unternehmen Jobausschreibungen und die spätere Behandlung von eingehenden Bewerbungen im Detail. Sie sollten diese Aufzeichnungen bis zum Ablauf der zweimonatigen Frist (§ 15 Absatz 4 AGG) aufbewahren.

Auf Basis dieser BAG-Entscheidung müssen Unternehmen in Gerichtsverfahren betreffend Diskriminierungsentschädigung zukünftig nachweisen, alle theoretisch denkbaren und vom Diskriminierungsopfer behaupteten Verfahrensfehler nicht gemacht zu haben.